Interview mit Nemo So spricht der Pantomime VON DIRKE KÖPP Wolfgang Neuhausen sprach über das stumme Spiel, seine ersten Auftritte im Karneval und Projekte für die Zukunft. Foto: RP, Busskamp (RP) Nemo - mit bürgerlichem Namen: Wolfgang Neuhausen - über das stumme Spiel, über seine ersten Auftritte im Karneval und seine Projekte für die Zukunft. Einige Fragen hat er ohne Worte beantwortet - wie, das sehen Sie auf den Fotos. Sind Sie als Pantomime eine Art Karikaturist: Wissen Sie sofort, wie Sie eine Person besonders charakteristisch imitieren? Nemo Ich kann Menschen, die ich sehe, auch Passanten auf der Straße, nach wenigen Augenblicken nachmachen. Das konnte ich schon als Kind. Man betrachtet die Person wie mit einem Zoom und weiß dann: Das ist es. Worauf achten Sie? Nemo Das hat nichts mit der Haltung oder der Nase einer Person zu tun; es geht über die Gefühlsebene. Man entwickelt einen Blick dafür. Daher verstehe ich mich auch mit Jacques Tilly so gut, der ja auch Karikaturen zeichnet. Funktioniert das in allen Ländern, die Sie bei Ihrer Tourneen besuchen? Nemo Pantomime wird auf der ganzen Welt verstanden und unterscheidet sich nur minimal. Natürlich kann es mal sein, dass man eine Geste in Spanien nicht machen kann, weil sie als obszön verstanden wird. Aber das sind Ausnahmen. Meist ist es sogar so, dass die Menschen - egal, ob in Südkorea, Israel oder Russland - nach der Vorstellung zu mir kommen und mich in ihrer Landessprache ansprechen. Weil sie nach meinem stummen Spiel „vergessen“ haben, dass ich ihre Sprache nicht spreche. Kurios. Und wie kommt Pantomime bei Gehörlosen an? Nemo Ganz ähnlich. Auch die kommen nach der Vorstellung zu mir, meinen, ich hätte in Gebärdensprache mit ihnen geredet, weil sie alles mühelos verstanden haben. Pantomime schafft Verbindungen? Nemo Ja, sie ist Ausdruck einer Verbundenheit, während Sprachen oft eher trennen. Ist Sprache dann überflüssig für Sie? Nemo Ganz kann und möchte ich darauf nicht verzichten. Ich moderiere meine Auftritte ja auch. Diese Moderation hilft den Zuschauern, mich ein bisschen kennen zu lernen, sich mit mir vertraut zu machen. Woran haben Sie das gemerkt? Nemo Ich trete derzeit viel beim Karneval auf. Da macht es schon einen Unterschied, wenn die Leute vorher hören: Dat ist ‘ne Düsseldorfer Jong. Klassisch pantomimisch ist das aber nicht... Nemo Die klassische Pantomime interessiert mich nicht. Als ich vor dem Abitur meinen ersten Solo-Abend hatte, hatte ich noch nie klassische Pantomime gesehen. Was stört Sie daran? Nemo In der klassischen Pantomime ist die Technik wichtiger als der Inhalt. Bei mir ist es umgekehrt: Der Inhalt geht auf jeden Fall vor. Und ich finde, dass man sich weiterentwickeln muss. Dafür ist die klassische Pantomime zu rigide. Da könnte ich mit einer Karnevalsmütze und einer künstlichen Brille nicht auftreten. Sie spielen zum ersten Mal im Karneval. Warum haben Sie das nicht längst mal gemacht? Nemo Die Gelegenheit ergab sich beim Geburtstag eines guten Bekannten. Für den hatte ich den Karnevalisten gespielt, der Teil meines Solo-Abendprogramms ist. Er war begeistert und meinte, ich müsse damit bei den Sitzungen auftreten. Ich war anfangs skeptisch, wusste nicht, ob die echten Karnevalisten das mögen. Aber sie haben mich prima empfangen und fanden es toll. Also können Karnevalisten - anders, als das Gerücht besagt - doch über sich selbst lachen? Nemo Zu meiner großen Überraschung und Freude: ja! Wie verkraften Sie als Pantomime den doch recht lauten Karneval? Nemo Ich warte so lange, bis es ruhig ist, und trete auch nur sehr früh am Abend auf. Dann geht es. Im Dezember ist Ihre Mutter gestorben. War es da nicht schwierig aufzutreten? Nemo Ich habe eine Pause eingelegt. Es ging überhaupt gar nicht. Ich habe schon mit gebrochenem Schlüsselbein und auch mal mit gebrochenem Zeh gespielt. Aber nach dem Tod meiner Mutter konnte ich nicht. Mein erster Auftritt war einen Monat später beim Narrencollegium, und ich darf sagen, diese Karnevalsauftritte helfen mir ein wenig über ihren Tod hinweg. Wie können Sie Ihre Gefühle besser ausdrücken: über Sprache oder Mimik? Nemo Im Moment noch besser über die Mimik. Aber die Sprache holt auf. (lacht) Welche neuen Projekte haben Sie außer dem Karneval? Nemo Ich gründe derzeit einen Verein für eine Clownschule für junge Menschen in Mpumalanga, der Partnerprovinz von Nordrhein-Westfalen in Südafrika. Ich war 2004 zum ersten Mal dort und begeistert vom Talent der jungen Leute. Sie haben großen Spaß am Schöpferischen und keine Angst davor, auch mal zu übertreiben. Das ist wichtig, wenn man Künstler ist: Die größte Kreativitätsblockade ist die Angst, sich zu blamieren. Wann soll es losgehen? Nemo Sobald unser Verein eingetragen ist. Ich habe mit zwei Ministerien in Südafrika gesprochen, und deren Vertreter fanden die Idee toll. Es wird wohl eine mobile Schule sein, mit einem südafrikanischen Lehrer, der vorher in Deutschland eine Ausbildung bekommt. Sie schauen aber auch über andere Grenzen hinweg... Nemo Sie spielen auf mein neues Netzwerk „Kunst und Kultur in Köln und Düsseldorf“ an. Genau. Was hat es damit auf sich? Nemo Es soll ein Netzwerk für Kunst, Kultur und Brauchtum werden. - Karneval übrigens eingeschlossen! Denn es gibt da geschichtliche Verbindungen, von denen bisher kaum jemand weiß. - Wir wollen uns grundsätzlich mehr austauschen, Brücken schlagen und schauen, bei welchen kulturellen Aktivitäten wir zusammenarbeiten können. Toll finde ich z.B. die Theaternacht, die es in Köln gibt. Das könnte man in Düsseldorf auch anbieten. Und bei den Projekten, die sich nur auf Düsseldorf beziehen - was gibt es da Neues? Nemo Der Kulturdezernent hat letztens erstmals davon gehört, dass ich auch in Gelsenkirchen und Essen Clownschul-Projekte initiiere. Das fand er toll, und jetzt überlegen wir, wie wir das auch in Düsseldorf umsetzen können. Dirke Köpp führte das Gespräch.